Die Anfänge
Das Jahr 790 ist nach Lage der Quellen der späteste mögliche Gründungszeitpunkt der Würzburger Domschule. Sie befand sich an fast genau demselben Ort wie die heutige Katholische Akademie Domschule, war jedoch eine Ganztagsschule. Äußerer Anlass der Schulgründung war wohl der Auftrag zur Sachsenmission an den Würzburger Bischof. Die Ausbildung der ersten Bischöfe für das im Rahmen dieser Aufgabe 799 neu gegründete Bistum Paderborn lässt sich jedenfalls sicher nachweisen. Der erste Paderborner Bischof, Hathumar, war denn auch der erste namentlich bekannte Schüler der Domschule. Ihre Aufgabe war es zu dieser Zeit vor allem, Nachwuchs für die Mission auszubilden und damit das karolingische Reich zu stützen. Nach Karl dem Großen gibt es dann bis zur Mitte des zehnten Jahrhunderts kaum noch schriftliche Zeugnisse über die Arbeit der Würzburger Domschule. Ihre Blütezeit sollte sie erst in der Zeit von etwa 950 bis weit ins elfte Jahrhundert erleben. Für die Schule wurde mit Stephan von Novarra ein berühmter Lehrer gewonnen, der ihren Aufstieg und späteren Ruhm begründet hat. Als Leiter der Domschule zog er bedeutende Schüler nach Würzburg. So kam etwa Heinrich I., der 956 Erzbischof von Trier wurde, gemeinsam mit seinem Freund Wolfgang, dem später heilig gesprochenen Regensburger Bischof, an die Domschule. Das Beispiel zeigt, dass die Domschulen mehr und mehr zu einem Instrument geworden waren, sich durch berühmte Schüler in hohen Ämtern politischen Einfluss zu sichern.
Das Hohe Mittelalter
Im elften Jahrhundert sah sich die Würzburger Domschule nicht zuletzt deshalb immer mehr Konkurrenzeinrichtungen gegenüber. Als Reflex auf Würzburg wurden etwa in Bamberg und Mainz ebenfalls Domschulen gegründet. Konkurrenz belebt das Geschäft – denn so konnte sich Würzburg im Wettbewerb der Domschulen profilieren. Ein überliefertes Lobgedicht auf die Würzburger Schule aus der Sammlung des Mönchs Froumund aus dem zwölften Jahrhundert weist die überlegene Dichtkunst und das hohe Niveau der Grammatik, eines zentralen Unterrichtsgegenstands, nach. Die Konkurrenz der Domschulen gipfelte aus Würzburger Sicht im Streit mit der Wormser Domschule. Hierbei ging es auch um das gegenseitige Abwerben von Schülern. Die Reaktion der Würzburger war die Erfindung des „epochalen“ Zahlenkampfspiels. Das Spiel, das die überlegenen mathematischen Fähigkeiten der fränkischen Einrichtung unter Beweis stellen sollte, hat entweder der berühmte Würzburger Mathematiker Magister Pernolf oder sogar Bischof Adalberoselbst erfunden. Nachdem der größte Gelehrte der Zeit, Hermann von der Reichenau, es positiv beurteilt hatte, brachten es die Würzburger in den Streit ein. Bei dem Spiel ging es, wie in der gesamten mittelalterlichen Mathematik, um Harmonieverhältnisse, die auf den göttlichen Weltenplan hinweisen sollten. Der Wettkampf endete mit einer vernichtenden Niederlage der Konkurrenz: Durch die Erfindung der „Gelenkzahl“ besiegten die Würzburger Mathematiker ihre Wormser Kollegen überlegen. Das Spiel verbreitete sich dann in den kommenden Jahrhunderten über die ganze Welt. Heute ist es vollkommen in Vergessenheit geraten.
Das ausgehende Mittelalter
Gegen Ende des Mittelalters zeigte sich die Situation erneut verändert: Französische Schulen wie Chartrés hatten die deutschen Domschulen überflügelt. Die Elitenbildung ging zunehmend auf die Universitäten über. Die Domschulen sanken zu vorbereitenden Schulen für die Universitätsausbildung herab und trafen zudem immer mehr auf innerstädtische Konkurrenz, wie etwa die Neumünsterschule. Der straffe Schulalltag mit Studienbeginn bereits um fünf Uhr morgens blieb dabei jedoch erhalten und ihre zentralen Fächer Logik, Disputierkunst, Dichtung und humanistische Studien bildeten weiterhin die Grundlage für Erfolg im Beruf.
Jerzy Staus (nach PD Dr. Rainer Leng)